O du fröhliche ist eines der bekanntesten deutschsprachigen Weihnachtslieder.
Dichter der ersten von drei Strophen ist der Weimarer „Waisenvater“ Johannes Daniel Falk (1768–1826), die beiden folgenden wurden von Heinrich Holzschuher (1798–1847) aus Wunsiedel in ihre heute gebräuchliche Form umgeschrieben.
Entstehungsgeschichte Nachdem Johannes Daniel Falk vier seiner sieben Kinder durch eine Typhusseuche verloren hatte, gründete er in Weimar das „Rettungshaus für verwahrloste Kinder“. Den dort aufgenommenen Kindern widmete er vermutlich 1815 das heute als Weihnachtslied bekannte O du fröhliche.[1]
O sanctissima, frühester bekannter Druck (1792)
Johann Daniel Falk: Allerdreifeiertagslied, Druckfassung 1819 Falk verwendete die Melodie eines Marienlieds, das auf den Text O sanctissima, o purissima (piissima), dulcis virgo Maria in Sizilien gesungen wird. Falk fand dieses Lied vermutlich in der 1807 postum erschienenen zweiten Ausgabe von Johann Gottfried Herders (1744–1803) Sammlung Stimmen der Völker in Liedern.[2][3] Bis vor wenigen Jahren war man davon ausgegangen, dass Herder das Lied bei einer Italienreise selbst aufgezeichnet habe. Barbara Boock vom Deutschen Volksliedarchiv in Freiburg stellte jedoch 2003 fest, dass keine entsprechende Aufzeichnung in Herders Nachlass nachweisbar ist.[4] Vielmehr sei das Lied bereits 1792 als Sicilian mariner’s hymn to the virgin im European Magazine and London Review erschienen.[5] Da die Melodie exakt übereinstimmt, und Herder die Zeitschrift aus der Weimarer Hofbibliothek gekannt haben könnte, ist mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass dieser Druck Herders Vorlage war.[4] Die Charakterisierung der Vorlage als „Hymne“ lässt Fragen aufkommen, ob die (wohl von Herder stammende) Übersetzung „Schifferlied“ akkurat ist, zumal der lateinische Text ein Kirchenlied nahelegt.[6]
In seiner Urfassung war das Lied ein von Falk so bezeichnetes „Allerdreifeiertagslied“, in dem die den drei Hauptfesten der Christenheit Weihnachten, Ostern und Pfingsten zugrunde liegenden Heilstaten besungen wurden.
O du fröliche, o du selige, gnadenbringende Weihnachtszeit! Welt ging verloren, Christ ist geboren: Freue, freue dich, Christenheit!
O du fröliche, o du selige, gnadenbringende Osterzeit! Welt liegt in Banden, Christ ist erstanden: Freue, freue dich, Christenheit!
O du fröliche, o du selige, gnadenbringende Pfingstenzeit! Christ, unser Meister, heiligt die Geister: Freue, freue dich, Christenheit![7]
Das Lied wurde 1816 veröffentlicht. Noch im 20. Jahrhundert ging man von einer Erstveröffentlichung in den 1819 erschienenen Auserlesenen Werken Falks aus. Günter Balders entdeckte dann in der Bibliothek der Freikirchlichen Fachhochschule Elstal eine Broschüre, die eine Publikation bereits nach dem Weihnachtsfest 1816 belegt. Der Erstdruck befindet sich in dem am 30. Januar 1817 abgeschlossenen Zweiten Bericht von Falks sozialdiakonischem Förderverein „Gesellschaft der Freunde in der Noth“. Hier findet sich eine Liste von Liedern, „die jeder Zögling der Sonntagsschule auswendig wissen und singen muss“.[8]
Heutiger Text Bekannt geworden ist O du fröhliche allerdings nicht als „Allerdreifesttagslied“, sondern als Weihnachtshymnus, bei dem nur noch die erste Strophe wörtlich von Johannes Daniel Falk stammt. Die beiden weiteren weihnachtlichen Strophen wurden von Heinrich Holzschuher, einem Gehilfen Falks, für ein Vortragsstück „zur Feyer des heiligen Weihnachts-Festes“ gedichtet, und das Lied damit zum reinen Weihnachtslied umgewidmet. Dieser Text wurde erstmals zu Weihnachten 1826 anonym im Bayerschen Landboten gedruckt.[9] 1829 veröffentlichte Holzschuher es nochmals in seinem Band Harfenklänge und gab sich damit als Autor zu erkennen, nennt aber auch Falk als Verfasser der ersten Strophe.[10]
In seiner heutigen Form (teilweise mit regionalen Unterschieden des Textes) lautet das Lied:
O du fröhliche, o du selige, gnadenbringende Weihnachtszeit! Welt ging verloren, Christ ist geboren: Freue, freue dich, o Christenheit!
O du fröhliche, o du selige, gnadenbringende Weihnachtszeit! Christ ist erschienen, uns zu versühnen: Freue, freue dich, o Christenheit!
O du fröhliche, o du selige, gnadenbringende Weihnachtszeit! Himmlische Heere jauchzen Dir Ehre: Freue, freue dich, o Christenheit!
Dieses von Falk und Holzschuher gedichtete Weihnachtslied wurde in viele Sprachen übersetzt, unter anderem ins Englische (Oh how joyfully), Französische, Lateinische und Schwedische (O du saliga, o du heliga, 1859).
Gesangbücher
O du fröhliche, Liederanhang zum Evangelischen Kirchengesangbuch für die Evangelischen Kirchen Hessens, 17. Aufl. 1962 Das Lied fand beispielsweise Eingang in das deutsche Evangelische Gesangbuch (EG 44) (nachdem man es in den Stammteil seines Vorläufers, des Evangelischen Kirchengesangbuches, nicht aufgenommen hatte), im römisch-katholischen Gotteslob (GL 238) (es war schon in vielen Diözesanhängen der Ausgabe von 1975 enthalten), in das alt-katholische Gesangbuch Eingestimmt (332), in das freikirchliche Feiern & Loben (F&L 220), in das Mennonitische Gesangbuch (MG 264), in das Evangelisch-methodistische Gesangbuch (EmG 174) und in die deutschsprachige Ausgabe des neuapostolischen Gesangbuchs (23)[11]. In vielen evangelischen Kirchen Deutschlands wird das Lied traditionell am Heiligen Abend zum Abschluss der Christvesper gesungen. Manchmal erklingt dazu das volle Geläut der Kirche. Es wurde auch in das Evangelische Gesangbuch (Evangelický zpěvník, EZ 299) der Evangelischen Kirche der Böhmischen Brüder in Tschechien eingeordnet.[12]
Variante als Lutherhymnus Angeblich zwei Tage vor seinem Tod soll Johannes Daniel Falk von seinen Freunden die Verbreitung eines „Volksbüchleins“ erbeten haben, das als Liedersammlung Falks 1830 posthum bei Reclam in Leipzig erschien.[13] Das Vorwort von Karl Christian Reinthaler, Freund Falks und Vorsteher des Martinsstifts in Erfurt, belegt, dass Reinthaler der eigentliche Herausgeber war. Das Buch enthält über viele Seiten verteilt sechs weitere Strophen von O du fröhliche. Vier davon sind der „gnadenbringenden Martinszeit“ gewidmet, zwei der Katharina von Bora. Beispiele:
O du fröhliche, O du selige, Gnadenbringende Martinszeit! Bahn war verloren; Licht ist geboren: Freue, freue dich Christenheit!
Zu Katharina von Bora:
O du fröhliche, O du selige, Vielwillkommen edle Magd, Luthern zur Seite, Sey dir auch heute, Bora, freundlich ein Gruß gesagt!
Ob die sechs Strophen tatsächlich auf Falk zurückgehen, oder von Reinthaler, vielleicht auch von Heinrich Holzschuher verfasst wurden, ist ungeklärt.